ingrid hutter bannerOffenbar ist mein Instrument beliebter als geahnt. Sonst hätten sich unsere Fans schließlich nicht so eifrig und charmant um einen Tag mit mir und meinem stetigen Begleiter beworben. Als Preis der Facebook Aktion „Privatphilharmonie“ der Jungen Deutschen Philharmonie stand ich einen Monat lang im virtuellen Schaufenster und zeigte mich ein wenig privat: Charakter eigen schaften, Vorstandsleidenschaften und Häkel hinterlassen schaften ...
Jetzt weiß ich auch, wie sich beispielsweise eine Teekanne im Geschäft fühlen muss, die noch nicht ahnen kann, wer sie erwirbt, wohin sie gerät und was dort auf sie zukommt. Die Angebote waren facettenreich: Von einem Dialektwettstreit über ein Duo mit dem kreischenden Baby oder der Instrumentalkunde für VIVA-Moderatoren bis hin zur kostenlosen Orchesteraushilfe hätte mir alles passieren können. Die Spannung und Vorfreude auf Tag X, an dem ich einmal etwas ganz Anderes und Unvorhersehbares machen würde, teilte ich mir wohl mit den Bewerbern.
Dann fiel die Entscheidung: Das Produzentenduo „Hoer Spiel“ war der Gewinner! Und eh ich mich versah, stand ich mit meinem Fagott in Darmstadt in einem Tonstudio und erzeugte via Improvisation eine melancholische Atmosphäre, die den Seelenzustand einer der beiden Hauptpersonen des Hörspiels „Erinnerungen“ verdeutlichen sollte. Für die auditive Bachelor arbeit benötigten die Digital-Media-Sound Studenten Thomas Ölscher und Daniel Henschke nämlich dringend noch ein Fagott. Dass hierbei weder Komposition noch konventionelle Hörerwartungen vorlagen, wurde mir schnell klar. Das bedeutete, ran an die Ideenkiste und wagemutig über den Tellerrand blicken! Denn den schier unendlichen Möglichkeiten, die sich auftun, wenn kein Papier auf dem Notenständer liegt, bin ich ehrlich gesagt in meinem Leben regelmäßig aus dem Weg gegangen.
Also, hinein in die Phantasie: losspielen, reinhören, weiterentwickeln, Motive spinnen, Mut zu den fleißig weggeübten Quietschern, Neben- und Klappen ge räuschen! Ja natürlich, gerne auch zwei-, warum nicht sogar dreistimmig, man ist ja nur von acht Mikrofonen, zwei Kameras und einer Journalistin umgeben ...
Und was soll ich sagen – es hat funktioniert!
Die einzigen Erwartungen, die ich enttäuschen konnte, waren die eintrainierten klassisch-geschulten in meinem eigenen Kopf. Und nachdem ich mich von denen befreit hatte, konnte ich meine eigene Kreativität unbefangen mit den Vorstellungen der Hörspielautoren und deren Figurenzeichnung verbinden. Ob das Ergebnis im Nachhinein nun als richtig, falsch, schön oder unpassend empfunden wird, ist erst mal nebensächlich; es ist das, was in dem Moment geschehen ist. Und so soll es sein. Und so soll es selbst bei meinem nächsten Klassenabend oder Probespiel geschehen, aus dem Moment heraus.
Zusätzlich zu den spannenden Geschehnissen in meinem Inneren haben sich dieses Zusammentreffen und der Austausch zweier verschiedener Disziplinen aber in vielerlei Hinsicht gelohnt. Durch geduldiges Nachfragen und Interesse von beiden Seiten konnten wir in die andere Welt hineinblicken und eine gemeinsame Sprache finden, um unsere Ideen glücklich zu verknüpfen. Wahrscheinlich hat die deftige Portion Spaß und Witz das ihrige dazu beigetragen, dass man das Ganze als eine gelungene, besondere und bereichernde Aktion bezeichnen kann. So sahen das jedenfalls auch Thomas und Daniel. Die beiden hinterließ ich am Abend dann mit einer Fülle klangvollen Materials und lächelnden Gesichtern.
Ich denke, man darf sehr gespannt sein auf dieses vielschichtige Werk, das die beiden Anfang Juli präsentieren werden. Ich bin es jedenfalls. Und ich bin gespannt, was unsere nächsten Privatphilharmonisten erleben werden, denn ich habe das Gefühl, hier ist alles möglich!

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Ingrid Hutter / Fagott
Vorstandsmitglied der JDPh