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Laut Lexikon kommt „Karriere“  aus dem Französischen und bedeutet „berufliche Laufbahn“. Wenn heute jemand im Musikbetrieb von „Karriere“ spricht, geht es allerdings in der Regel um Stars. Und dazu stellt man sich den typischen Weg vor: Schon im Kindergartenalter werden musikalische Begabungen entdeckt, die es zu fördern gilt. Die Eltern chauffieren ihre Sprösslinge erst zur Musikschule, dann zum Professor an die Hochschule. Die Kinder gewinnen Wettbewerbe, werden „entdeckt“, die ersten CDs werden eingespielt und so nimmt eine Karriere ihren Lauf. Oft nehmen Agenturen den Eltern dann die Arbeit ab und die Entscheidungen über die weiteren musikalischen Schritte im Leben. Es muss immer steil bergauf gehen und rentabel sein, sonst wäre etwas falsch gelaufen. Aber kann und sollte das der einzige Weg zum Erfolg sein? Und ist die sogenannte Karriere überhaupt der entscheidende Ansporn? Warum sonst haben wir ein Musikstudium gewählt?
Mein Weg begann mit elf Jahren, als ich an der Musikschule Klarinette lernte. Ich wollte unbedingt im Bläservororchester mitspielen und wählte deshalb ein Orchesterinstrument. Bald konnte ich nahezu alle Griffe, sodass ich nun jeden Freitag zur Probe kommen durfte. Später wurde ich ins „richtige“ Blasorchester aufgenommen, in dem die „Großen“ spielten. Wir gaben regelmäßig Konzerte und nahmen auch an Orchesterwettbewerben teil. Gemeinsam mit anderen zu spielen fand ich besonders spannend, und so war nicht nur der wöchentliche Einzelunterricht ein Anreiz für mich, zu üben. In der Mittelstufe qualifizierte ich mich nach einer erfolgreichen Teilnahme an „Jugend musiziert“ für das Landesjugendorchester und erlebte hier zum ersten Mal ein großes Sinfonieorchester. Die Zeit, die ich dort verbrachte, war großartig, und zum ersten Mal kam der Wunsch auf, Musik zu studieren, um später in einem Berufsorchester zu spielen. Wenn ich das irgendwann erreicht habe, habe ich dann „Karriere gemacht“? Oder ab wann spricht man überhaupt von einer „Karriere“?

Eine wichtige Etappe auf dem Weg zum Berufsmusiker ist mit Sicherheit die Junge Deutsche Philharmonie. Für mehrere Generationen von Musikern war das Orchester bereits ein idealer Startpunkt, so unterschiedlich die Wünsche, Ansprüche und Vorstellungen dieses Berufs auch für den Einzelnen sind. Zu den Arbeitsphasen der Jungen Deutschen Philharmonie kommen wir dreimal im Jahr mit 80–100 Musikern zusammen. Wir sind alle unterschiedliche Wege gegangen, bevor wir nach einem Probespiel aufgenommen wurden. Die Truppe ist also bunt gemischt. Zu unserem Orchester gehören Studienanfänger, Studenten, die kurz vor dem Abschluss stehen, und solche, die sich bereits im Aufbaustudium befinden. Die Erfahrungen, die wir mitbringen, sind different: Einige investieren während des Studiums viel Zeit in ein Kammermusik- ensemble, andere waren bereits Praktikanten in einem Berufsorchester und wieder andere bereiten sich speziell auf Wettbewerbe vor. Von Arbeitsphase zu Arbeitsphase variiert die Besetzung, und auch die Dirigenten wechseln. Keine guten Voraussetzungen für eine effektive Probenarbeit und gelungene Konzerte? Weit gefehlt! Ich spiele nun seit zweieinhalb Jahren in diesem Orchester mit und bin begeistert, was in diesem Rahmen möglich ist. Gerade weil immer wieder aufs Neue viele Musiker mit so unterschiedlichen Biographien aufeinandertreffen, ist die gegenseitige Bereicherung groß. Auch menschlich treffen die unterschiedlichsten Typen aufeinander. Sie hätten sich auf der Straße oder in der Hochschule vielleicht nicht viel zu sagen, teilen sich hier aber ein Pult und musizieren zusammen. Schnell müssen wir uns zu Beginn der Arbeitsphase aufeinander einstellen, aufeinander reagieren und uns an den jeweiligen Dirigenten gewöhnen. Das kann natürlich nicht in der ersten Probe erledigt werden, sondern es ist vielmehr eine Entwicklung, die sich über die ganze Arbeitsphase hinzieht. Mal springt der Funke gleich zu Anfang über, mal dauert es ein paar Tage, bis sich alle wohlfühlen und sich dem Orchesterrausch hingeben können. Bevor dieser jedoch spürbar wird, sind viele fleißige Hände im Spiel – und das schon lange vor der Arbeitsphase. Wir lernen im Team zu arbeiten, zu planen, zu organisieren: eine wichtige Erfahrung für ein selbstbestimmtes Musikerleben. Der Orchestervorstand wird vom Büroteam ständig mit neuen Informationen und Vorschlägen gefüttert. Wir selbst versuchen unsere fleißigen Bienchen in der Schwedlerstraße davon zu überzeugen, abenteuerliche und manchmal kaum praktikabel scheinende Vorschläge in die Tat umzusetzen – und das mit verblüffendem Erfolg. Nichts ist hier unmöglich! Genau das ist es, was unser Orchester auch nach 35 Jahren noch jung hält und immer weitertragen wird. 

Karriere haben wir wohl alle schon jetzt auf die eine oder andere Weise gemacht. In der Jungen Deutschen Philharmonie intensiviert sich das, und man lernt, dass Karriere eigentlich ein nie endender Prozess ist, den jeder ganz individuell vorantreibt und erlebt. Am Ende sind es aber zwei entscheidende Dinge, die uns verbinden: Die Leidenschaft für die Musik und die Freude am Spiel. Sie sind es letztlich auch, die eine Karriere für andere und vor allem für einen selbst schlüssig werden lassen. Vielleicht gilt es allein das zu leben.

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Lea Hamm, Klarinette