Kräftige Trommelrhythmen und eine Melodie auf der Marimba hallen an einem Freitagnachmittag im Mai durch die zumeist leeren Gänge der IGS Mathildenschule Offenbach. 

 Tears of Nature 1 c Christof Jakob

Folgt man den Klängen, stößt man auf eine kleine Gruppe von Schülerinnen und Schülern, die im Musikraum unter Anleitung des Schlagzeugers Tido Frobeen Klangforschung betreiben: Sie probieren aus, wie man auf Perkussionsinstrumenten verschiedene Stimmungen erzeugt, die aus der Filmmusik bekannt sind. Unheimlich wie im Horrorfilm, schön wie ein Happy End oder actiongeladen sollen die Eigenkompositionen klingen. In der Woche zuvor haben die Schülerinnen und Schüler Regenmacher, Shaker und Schellenkränze gebastelt, die ebenfalls zum Einsatz kommen. 

In der Eingangshalle der Schule probt Kontrabassist Leopold Rucker mit seiner Gruppe einen musikalisch unterlegten Poetry Slam im Kleinformat. Die Schülerinnen und Schüler haben eigene Texte zum Thema Umweltschutz geschrieben, die sie nun mit Gitarrenakkorden, Cajón- und Trommelrhythmen begleiten. „Umweltverschmutzung … die Abgase von Autos, Flugzeugen, Heizungen. Abfälle aus Glas, Papier und Plastik, Metall, giftige Gase und so weiter verschmutzen die Umwelt“, rappt Schüler Zoubeir, während Leopold Rucker mit Erika und Leo an Cajón und Djembé nochmal den Einsatz übt. 

Auch draußen auf dem Schulhof wird fleißig musiziert. Bei Cellist Mario Alarcón Cid stehen Improvisation und Songwriting auf dem Programm. Ausgestattet mit Gitarren, Bratsche, Trompete, Trommel und Cello probt seine Gruppe in einer begrünten Ecke des Hofes Akkorde und Melodien, die sie zu einem Song formen wollen. Schülerin Adriana singt einen selbst geschriebenen Text dazu.

Schon seit Februar arbeiten Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie im Rahmen des Förderprojektes KUNSTVOLL des Kulturfonds Frankfurt RheinMain mit einer 6. Klasse der IGS Mathildenschule in kleinen Gruppen an unterschiedlichen musikalischen und interdisziplinären Inhalten. Was zunächst spielerisch und spontan wirkt, ist verbunden durch das Schlagzeugkkonzert #The Tears of Nature# des chinesisch-amerikanischen Komponisten Tan Dun, das die Fülle und Unberechenbarkeit der Natur in Klänge fasst. Jedem der drei Sätze liegt eine Naturkatastrophe zugrunde: der Tsunami in Japan, Hurrikan Sandy an der Ostküste der USA und das Erdbeben in Sichuan, China. Das Konzert ist Ausgangspunkt und Inspirationsquelle für die Workshops, in denen sich jede Gruppe mit einem anderen Aspekt befasst. Als roter Faden ziehen sich jedoch die Themen Umweltschutz und Naturklänge durch die Arbeitskreise.

Tears of Nature 5 c Christof Jakob

Die teilnehmenden Musiker der Jungen Deutschen Philharmonie engagieren sich ehrenamtlich im Projekt. Für manche ist es die erste Erfahrung in der pädagogischen Arbeit mit einer Schulklasse, andere waren bereits bei früheren Musikvermittlungsprojekten dabei. Auf sich allein gestellt sind die Studenten natürlich nicht: Für Fragen, Tipps und Feedback steht Projektleiterin Anni Komppa zur Verfügung, die als studierte Oboistin und ausgebildete Gymnasiallehrerin für Musik und Darstellendes Spiel langjährige pädagogische und musikalische Erfahrungen mitbringt. Unterstützt wird sie von der Musiklehrerin der IGS Mathildenschule Èva Pereginé Budai. 

Ihre Flexibilität stellen die Musiker nicht nur in den Workshops, sondern auch in der Organisation und im Zeitmanagement unter Beweis. Kaum sind die Workshops im Februar gestartet, müssen sie aufgrund der hohen Corona-Infektionszahlen für einen längeren Zeitraum unterbrochen werden. Im Mai geht es glücklicherweise unter Einhaltung der Hygieneregeln weiter. Statt drinnen wird draußen geprobt, Abstand gehalten und Maske getragen. Der für Ende Mai geplante Abschluss des Projekts muss in den Juni verschoben werden und kollidiert nun mit Probespielen, Abschluss- und Aufnahmeprüfungen der Musiker. Doch auch hier zeigen sich alle Beteiligten flexibel und finden Lösungen, wie es trotzdem weitergehen kann. Dass die Schülerinnen und Schüler regelmäßig am Freitagnachmittag nach dem Unterricht in der Schule erscheinen, um mit „ihren“ Musikern zu arbeiten, zeigt, dass sich das Engagement lohnt. Als bei den letzten beiden Terminen Tanzpädagogin Kristina Veit dazukommt, um mit den Schülerinnen und Schülern eine Choreographie einzustudieren, ist die Freude besonders groß. Mehr als die Hälfte der Klasse möchte dabei sein und lässt sich von der Energie der Musik mitreißen. 

Tears of Nature 6 c Christof Jakob

Kurz vor der Abschlussveranstaltung am 25. Juni, die nur im kleinen Kreis stattfinden darf, liegt die Aufregung spürbar in der Luft. Aus selbst fotografierten Naturbildern hat die Schulklasse eine eigene Fotoausstellung gebastelt, die im Foyer auf das Projekt einstimmt. Die Musikgruppen gehen ein letztes Mal ihre Texte und Kompositionen durch, die Tänzerinnen und Tänzer proben ihre Schritte. Um 15 Uhr geht es los. Der Schulleiter Oliver Schröder und einige Lehrerkolleginnen und -kollegen sind erschienen, die Kinder warten auf Bänken in der Turnhalle gespannt auf ihren Einsatz. Anni Komppa moderiert die Veranstaltung, interviewt einzelne Schülerinnen und Schüler zu den gezeigten Inhalten und kündigt die jeweiligen Vorführungen an. Jetzt können alle zeigen, woran sie in den vergangenen Monaten gearbeitet haben. Ein absolutes Highlight ist die Premiere der Filmdokumentation, die der Kameramann Milan Werhand an zwei Nachmittagen in der Schule gedreht hat. Nach einem herzlichen Applaus für alle Beteiligten heißt es Abschiednehmen. Trotz der Herausforderungen rund um Corona war das Musikvermittlungsprojekt #Tears of Nature# ein voller Erfolg. 

*** 

Linda Knauer 
Öffentlichkeitsarbeit & Marketing / Education

Fotos: Christof Jakob

Top