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WUNDERLAND – so lautet der Titel der Sommer-Kammermusik 2023, die in die Welt des Holzbläserquintetts entführt. Das Programm – von Bachs Triosonate über Barbers Summer-Music und Ligetis 6 Bagatellen bis hin zu Unsuk Chins Advice from a Caterpillar, Takemitsus Voice für Flöte solo und Fujikuras Cosmic Breath – war für mich als frisch ernannten Abgesandten des Vorstands im Programmausschuss eher Neuland.

Deshalb dachte ich mir, dass es interessant wäre, das Scheinwerferlicht speziell auf ein Stück zu richten: die Komposition Cosmic Breath von Dai Fujikura, die auf Initiative der Jungen Deutschen Philharmonie und im Auftrag von B. Metzler seel. Sohn & Co. AG gemeinsam mit der Werner Reimers Stiftung entstanden ist. Sie wird am 14. Juni 2023 im Haus Metzler von Mitgliedern der JDPh uraufgeführt werden. Das Tolle an solchen Auftragskompositionen ist ja unter anderem, dass die Komponist*innen (meist) gerne Rede und Antwort stehen. Eine bessere Einführung als durch ein direktes Gespräch über ein Werk kann man wohl kaum bekommen! 

So zoomte ich an einem grauen Dezember-Morgen nach London zu Dai Fujikura, der mir zu Beginn gleich erzählte, warum dieses Auftragswerk eine Art Traumabewältigung für ihn darstellte. 

Herr Fujikura, wie kamen Sie generell zum Komponieren, wie waren Ihre ersten Schritte auf diesem Weg?

Seit 30 Jahren lebe ich nun in London, aufgewachsen bin ich allerdings in den 1970ern in einem Vorort von Osaka. Ich hatte eine sehr strenge Klavierlehrerin, die mir immer die großen Komponisten Mozart, Haydn oder Beethoven vorsetzte. Allerdings verstand ich teilweise die Musik einfach gar nicht, weshalb ich irgendwann auf die grandiose Idee kam, die nicht verständlichen Takte einfach wegzulassen. Meine Lehrerin war außer sich, was mich in meiner Anti-Haltung nur noch bestärkte. Also ließ ich immer mehr weg, machte Sprünge und schnippelte so lange in den Stücken rum, bis ich zufrieden war, was allerdings zur Folge hatte, dass nun die Stücke bis zur Unkenntlichkeit verfremdet waren. Also dachte ich irgendwann: Ich muss einfach meine eigene Musik schreiben! Meine Musik, meine Regeln. 

Meine Kompositionsstunden glichen anfangs eher Eins-zu-Eins-Konzerten. Ich schrieb wie ein Besessener, und die 30 Minuten meines wöchentlichen Unterrichts waren teilweise zu Ende, bevor ich meinem Lehrer alle meine neuen Stücke präsentieren konnte. 

Zum Stück: Cosmic Breath ist ein Auftragswerk. Ist dies das erste Stück, das Sie für die Besetzung des Holzbläserquintetts geschrieben haben?

Nun (lacht), da kommen wir gleich zu einem wichtigen Punkt. Ich habe ein oder zwei Stücke für genau diese Besetzung geschrieben, als ich Student war. Diese Stücke wurden dann hochschulintern vor einer Handvoll Leuten vorgetragen – vermutlich einfach denjenigen, die als Nächste dran waren und warteten, endlich selbst zu spielen. Das gesamte Projekt war nicht sonderlich glamourös, ich hatte ein wirklich schlechtes Stück geschrieben und dann sollte ich es auch noch dirigieren, was die Sache noch viel schlimmer machte. Im Nachhinein musste ich dieses Stück zweifelsohne der Kategorie „lass uns das einfach schnell vergessen“ zuordnen. Aber seit diesem Zeitpunkt hatte ich immer den Drang, einmal ein Stück zu schreiben, das eine – sagen wir –Existenzberechtigung hat. Als die Junge Deutsche Philharmonie an mich herantrat mit der Bitte, für genau diese Besetzung ein Stück zu schreiben, wusste ich, dass dies der Zeitpunkt wäre, alles wiedergutzumachen. 

Was ist denn das Besondere an dieser Besetzung für Sie als Komponist?

Ich habe schon viel für Holzblasinstrumente geschrieben. Das Tolle an ihnen – Horn zähle ich der Einfachheit halber jetzt einfach mal dazu – ist ihre absolute Wandelbarkeit. Allein die zwei Welten, die dir ein Horn mit gestopfter und offener Spielweise eröffnet, könnten unterschiedlicher kaum sein. Auch das Fagott ist ein bisschen wie ein Synthesizer – es kann alles! Ich denke, viele Komponist*innen haben das Fagott in der Vergangenheit falsch eingesetzt – sorry an dieser Stelle (lacht). Das ist ein bisschen wie ein Shampoo-Conditioner, du bekommst zwei Sachen für den Preis von einer! Ich habe versucht, diese vielen Möglichkeiten der Instrumente einzufangen und in das Stück einzubinden. Durch diese Kontraste entsteht hoffentlich der Eindruck, es stünden mehr als fünf Leute auf der Bühne. Um dies dann noch zu verstärken, habe ich die Hauptmelodie so kleinteilig verteilt, dass die Melodie durch die schnell wechselnden Instrumente immer eine neue Farbe bekommt. Das setzt aber auch bei den Musiker*innen größte Wandelbarkeit voraus – wer hat gerade welche Rolle, wer hat was zu sagen? Aber darum geht es ja in der Kammermusik, um Kommunikation und Gruppendynamik.

Was ist für Sie der essenzielle Unterschied zu beispielsweise Musik aus der Klassik oder Romantik, um was geht es Ihnen als Komponist der Gegenwart?

Ich muss ehrlich sagen, ich weiß nicht sehr viel über „die“ klassische Musik im engeren Sinn. Vor Kurzem war ich auf einem Festival in Frankreich, und bevor mein Stück aufgeführt wurde, spielten sie ein Stück von Mozart. Da dachte ich mir: „Das ist ja ganz schön gut, da hat er sich ja wirklich Mühe gegeben!“ Später sagte man mir, dass dies ein sehr berühmtes Stück gewesen sein soll… Ein wichtiger Punkt für mich ist, neue und spannende Farben aus den Instrumenten herauszukitzeln. Zum Beispiel liebe ich es – wie auch in diesem Stück angewendet –, die Piccolo-Flöte im tiefen Register einzusetzen. In dieser Lage, die mit Sicherheit bequemer auf der normalen Flöte zu spielen wäre, klingt die Piccolo sozusagen eindimensional, was für mich sehr reizvoll ist. Sachen auszuprobieren und dadurch neue Klänge zu entdecken, das ist der Anreiz für mich, zu komponieren. Und letztlich geht es auch für mich darum, Spaß an der Sache zu haben.

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Jonas Hintermaier / Fagott
Mitglied im Orchestervorstand

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